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Leichenberg 02/2008

 

Schwarzer Mohn

Überwölbende Väter können fatal sein. Das gilt sicher für Daniel Vázquez, insofern er Romancier sein möchte. Papi ist Manuel Vázquez Montalban, r.i.p. Daniel Vázquez hat sicher Unmengen von Thrillern, Kriminalromanen und anderen einschlägigen Büchern gelesen, hat sicher viele Autorinnen und Autoren der Zunft gekannt. Aber leider musste er selbst einen peinlichen Polit-Thriller mit kulinarischem Beiguß verfassen: Schwarzer Mohn (BLT). Wenn ich je einen völlig an den Haaren herbeigezogenen, ballaballa- Plot gelesen habe - Töchterlein bringt geliebten Vater absichtlich in Lebensgefahr, um versaute Kindheit zu rächen -, dann den... Oh, neee...

Genauso fatal sind überwölbende Vorbilder. Das von Xavier-Marie Bonnot heisst Jean-Claude Izzo, und deswegen versucht Bonnot, pausenlos Izzo-ismen einzubauen: Kleine Vignetten der kulinarischen, der stadt- und verbrechensgeschichtlichen und der politischen Art. Denn auch Bonnots Roman spielt in und um Marseille und hat einen knorzigen, politisch unkorrekten Bullen zum Helden. Der große Unterschied zu Izzo: Bonnot hat nix zu erzählen. Eine völlig blödsinnige, nach ein paar Seiten durchsichtige Mär über ein serialkillendes Gaga-Pärchen. Gehackt und geschnetzelt wird im Geschmack vorzeitlicher Schamanen mit dem Steinbeilchen, und die Handlung lappt weit in die Gefilde unfreiwilliger Huuh-Buuh-Komik. Ach ja, Der große Jäger (Zsolnay) heisst das Teil.

Domofon

Der dritte Fall von betrüblichem Überwölbtwerden kommt aus Polen: Domofon heisst der Romanerstling von Zygmunt Miloszewski (dtv). Der Überwölber heisst Stephen King, konkreter: »Shining«. Auch in »Domofon« spielt nämlich ein Haus die Hauptrolle, kein schickes Berghotel, sondern ein Plattenbau in Warschau. Leute sterben, bringen sich um, sind seltsamen Kräften ausgesetzt, die mit ihrer eigenen Psyche zu tun zu haben scheinen. Naja, ein bisschen polnische Klassik, also Stanislaw Lems »Solaris« wölbt auch noch mit. Miloszweski macht das am Anfang schon clever und fesselnd, allerdings leidet das Buch später sehr unter dem peniblen, fast pedantischen Drang des Autors, den Horror Häppchen für Häppchen zu plausibilisieren und zu verrechnen. Deswegen entfällt dann auch der wirkliche Grusel. Schade.

Kein dummes Buch, aber ein böses Buch über dumme Menschen ist Killshot von Elmore Leonard aus dem Jahr 1989, das gerade bei Heyne überarbeitet re-launched wurde. Der Roman erzählt allerdings nicht nur von dummen Menschen. Er erzählt auch von ganz normalen Leuten aus wenig schicken Gegenden der USA, die dort ganz normale, ganz und gar nicht schicke Leben leben, bevor strunzdumme, gefährliche und gewalttätige Menschen in diese Leben eindringen. Leonards Problem hierzulande ist eine bedauernswert schräge Rezeption, die ihn entweder als Objekt pickligen Fandoms mit den dümmstmöglichen Posen anbetet, oder ihn nur als Autor von Filmvorlagen (»Get Shorty!«) wahrnehmen möchte. Schade, irgendwie...

Die Söhne Abrahams

Graduell schade auch, dass Robert Littells neuer Roman, Die Söhne Abrahams (Scherz) nicht ganz an das Niveau seines Meisterwerks »Die kalte Legende« heranreicht. Was aber selbst von einem hochgeschätzten Autor zu verlangen, unsittlich wäre, denn Bücher wie »Legends« sind Lebensbücher. Die Grundidee des neuen Romans ist so simpel wie wunderbar: Ein rechtsradikaler extremistischer jüdischer Rabbi wird in Israel von einem extrem radikalen palästinensischen Arzt entführt und die beiden fanatischen Killer stellen fest, dass sich beide als Söhne Abrahams (diesmal ist der deutsche Titel besser als der englische: »Vicious Circle«, also »Teufelskreis«) bedingen und sich eigentlich in diversen durchgeknallten Wahnideen prächtig verstehen, sich gar lieben, was Littell maliziöserweise auch leicht sexuell tönt. Die Thriller-Handlung aussenrum - eine Befreiungsaktion der Israelis - braucht das Buch eigentlich nicht. Denn ein Thriller mit zu viel Diskurs ist ein unglückliches Ding. Ein Dialog-Buch ohne Thriller-Handlung hätte, zugegeben, natürlich weniger Resonanz gefunden. Zumal in einem literarischen Milieu, das Sohnemann Jonathan Littell mit seinem prätentiösen Kram erheblich findet, aber noch nicht einmal eine Ahnung davon hat, dass es Littell père überhaupt gibt, geschweige denn, dass er zu den ganz Großen unserer Zeit gehört.

Ein ganz und gar wichtiges Sach-Buch ist Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt von Jeremy Scahill (Kunstmann). Egal, wie angreifbar manche seiner Detailargumentationen sind, die Recherchen sind beunruhigend: Es geht um die Schaffung rechtsfreier Räume für die Durchsetzung notfalls fundamentalistischer Ideologeme mit Waffengewalt, d.h. um die Abschaffung des staatlichen, demokratisch kontrollierten Gewaltmonopols. Schöne neue Zeiten.

 

© Thomas Wörtche, 2008

 

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