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Leichenberg 03/2003

 

An dieser Stelle habe ich schon mehrfach darauf bestanden: Patrick O'Brians Seefahrer-Zyklus um Captain Jack Aubrey und Dr. Maturin sind recht eigentlich Polit-Thriller in eigentümlichem Gewand. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis der Klon auftritt - und voilà: Wilder Perkins hat den flüsternden Bartholomew Hoare erfunden, der hier bei seinem zweiten Auftritt: Unter königlicher Flagge(Goldmann) gleich ein ganzes Geheimdienstschiff Seiner Majestät im Jahre 1805 befehligt: Eine Freak-Truppe aus Zwergen und Mannweibern und Kryptographen. Stilistisch, erzähltechnisch und in der Verwendung auffallend intelligenter Dialoge ist Perkins ein treuer Schüler seines Meisters. Aber doch nur ein Klon, dessen plot dann eben eher schwach und wirr ist. O'Brian hat etwas zu erzählen, Perkins kann lediglich erzählen. Das ist der Unterschied.

Bei Julian Rathbone liegt der Fall anders: Zwar ist sein Roman Der letzte englische König (dtv) deutlich ein historischer Roman über König Harold und die normannische Invasion Englands - Sie wissen schon, 1066 und Hastings - , aber eben auch ein Polit-Thriller vom Feinsten. Wie von Rathbone nicht anders zu erwarten intrikat und gemein geplottet, ironisch-distanziert erzählt und mit einem richtiggehend zärtlichen Händchen für ganz feine Naturbilder geschrieben. Obwohl das Buch schon von 1997 ist, begrüssen wir freudig die Rückkehr eines grossen Autors auf den deutschen Buchmarkt!

Und noch ein Comeback kündigt sich an: Als Vorspiel für einen neuen, kapitalen Roman von D.B. Blettenberg, dem einzigen Polit-Thriller-Autor der internationalen Liga, den Deutschland hat, bringt Pendragon als Neuausgabe Blettenbergs wunderbaren Bangkok-Roman Siamesische Hunde wieder unter die Leserschaft. Applaus!

Viel Applaus gab es in letzter Zeit auch für Wolf Haas, der mit Das ewige Leben (Hoffmann und Campe) seine Serie um den eigenartigen und eigenwilligen Detektiv Simon Brenner beschliesst. Natürlich freuen wir uns über jede Abverkaufshilfe für gute Autoren, aber die Bemerkung sei erlaubt, dass ich selten soviel höchstes Lob von völlig ahnungslosen Leuten gelesen habe wie für Haas. Nu, er wird's verschmerzen - und wenn dieses Getöse und die konträre Einschätzung seiner Bücher als Blödel-Krimis vergangen sein werden, wird man sich vielleicht darauf besinnen, warum Haas ein sehr origineller und doch sehr traditioneller (Stichwort: Ludwig Thoma) Autor ist.

Bedeutend weniger Enthusiasmus gebührt James Dalessandros Roman Die Frau aus Jade (Knaur). Nicht weil das Buch nicht spannend, nicht weil es nicht flott und fluffig geschrieben, nicht weil die Story nicht fein und gut gesponnen wäre. Das alles ist die Geschichte eines PIs, der eine schöne, reiche Frau vom Mordverdacht befreien soll und damit gleichzeitig eine alte Familienfehde in San Francisco in seinem Sinne erledigen kann, nämlich durchaus. Ärgerlich ist auch nicht so sehr, dass Dalessandro in die Trick-Kiste aller klassischen PI-Romane greift - die Lady manipuliert den Detektiv nach allen Regeln der Kunst. Ärgerlich ist aber sehr, dass die clevere Dame dann bös bestraft werden muss und somit die ganze olle miefige Misogynie der Chandlers & Co. wieder fröhlich Urständ feiert. Ach Gottchen, ja...

Einen ganz ähnlich, fast erschreckend parallelen plot liefert Stuart M. Kaminskys Beitrag zu der netten GourmetCrime-Reihe bei Europa: Der Tod des kubanischen Chefkochs. Aber da lässt sich der Detektiv nicht von einer schönen Frau manipulieren, sondern von der Aussicht, bald ein eigenes Restaurant zu haben, in dem sich man dann sicherlich die hübschen Rezepte des Anhangs reinpfeifen kann. Das überzeugt mich mehr.

 

© Thomas Wörtche, 2003

 

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