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Leichenberg 03/2006

 

Der Reinfall Der Reinfall heisst das neue Buch von Carl Hiaasen (Goldmann/Manhattan) und ist für den Leser ein Gewinn. Eine Frau fällt ins Meer, weil ihr unglaublich blöder Gatte sie über Bord eines Kreuzfahrtschiffs wirft. Und nämlicher Gatte fällt rein, weil sein idiotisches Kalkül nicht aufgeht, das er an den Gattenmord geknüpft hatte. Weil seine Frau nämlich schwimmen kann und seltsame Dinge in den Gewässern der Karibik treiben. Und so entspinnt sich ein hochvergnügliches, Hiaasen-typisches Spiel um reinen Irrsinn, echte Gefühle und nackte Profitgier. Seinem Leitmotiv, die Zerstörung von Floridas Everglades, bleibt Hiaasen treu, er variiert aber sozusagen seine Tonlage. Der Reinfall strotzt natürlich völlig vor Wahn- und Schwachsinn, bleibt aber erfreulich down to the ground. Eher Komödie als Groteske, aber natürlich eine rabenschwarze Komödie. Hiaasen at his best!

Grandios beginnt auch José Carlos Somozas Die Elfenbeinschatulle (List/Grande). Das liegt zum einen an der Qualität seiner Prosa, die diesen Namen auch verdient (zumindest soweit ich das anhand der Übersetzung sehen kann), zum anderen an seiner Figurenkonstellation: Er spannt einen abgewrackten Auftragskiller mit einer rundum netten, schüchternen und idealistischen Lehrerin zusammen. Beide sollen ein vermutlich entlaufenes Girlie suchen. Zwischendurch hatte ich Angst, der Roman kippt ab, weil mal wieder eine Snuff-Porno-Geschichte aufflackerte, dann aber macht Somoza eine sehr gekonnte Wendung. Gut so, denn es wäre um einen sehr guten Roman sehr schade gewesen.

Meierhoffs Verschwörung Sehr lustig, sehr knapp, sehr ironisch ist Meierhoffs Verschwörung (Droemer). Kein Wunder, stammt diese knappe Erzählung doch von Luis Fernando Verissimo, dem grossen galligen Autor mit der federleichten Prosa aus Brasilien. Hier mokiert er sich unterhaltsamst über Weltverschwörungstheorien und Mega-Thriller über das Ende der Menschheit. Mindestens. Nur den im deutschen Titel versprochenen Herrn Meierhoff gibt es nicht: Das Buch heisst »O Opositor«, ist deswegen eine Hommage an Rubem Fonseca (»O Cobrador«) und man hätte das Buch auch ganz einfach »Der Widersacher« nennen können. Anyway, 153 Seiten hochkonzentrierte Lesefreude!

Um eine echte, grauenhafte, furchtbare, schauderhafte, ganz und gar gräßliche (bitte komplettieren Sie ähnliche Ausdrücke) Verschwörung geht es in Mission Arktis von James Rollins (Ullstein). Noch gar nichts sind da prähistorische Lauf-Wale (ja, Sie haben richtig gelesen. Au warte, schlimm, diese Viecher!), die Menschen wie nix wegknuspern; schlimmer schon Russen, die Stefan Jurgen heissen; und ganz am Ende die Gigaverschwörung von USA und UdSSR, über die ich natürlich - top secret - nix verraten darf, sonst... Zum Schreien komischer Bautz-Boing-Patsch-Roman, aber ganz grosse Klasse! Doch!

Sister Sox Aus München kommt etwas technisch perfektes. Sister Sox von Max Bronski (Kunstmann). Wer immer sich hinter diesem Pseudonym versteckt (oder auch nicht), hat alle seine amerikanischen Hardboiler gut gelesen. Erzähltechnisch hat er sie auch verstanden. Schade nur, dass er sich auch gleich die Münchner Welt nach solchen Mustern biegt. Klar, München leuchtet nicht nur, es stinkt. Aber diese Erkenntnis hätte ich gerne präziser und abseits der Prostitution/Porno/Koks/Russen vs. Italo-Mafia-Module erzählt bekommen. Denn die stammen, wie die »Inspektoren« der Münchner Kripo aus dem TV-Klischeekästchen eines Realitätsverweigerers. Und das schadet einem Erzähltalent, denn für eine Parodie reichts nicht, und für noch ein Hardboiler-Pastiche besteht eigentlich kein Anlaß. Schade!

 

© Thomas Wörtche, 2006

 

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