legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 04/2000

 

Dass einer der ganz Grossen der amerikanischen Literatur hierzulande ein milde gesagt mässiger Verkaufserfolg ist, ist einer der schwärzesten Kommentare zum Volk der Dichter & Denker - die Rede ist natürlich von Elmore Leonard. Deswegen sehen wir seinem deutschen Verlag Goldmann sogar nach, dass er aus "Be Cool" ein Buch namens Schnappt Chili gemacht hat. Wenn's dem Abverkauf dient, dass solchermassen auch noch der allerletzte Filmgucker merkt, aha - hier geht's da weiter, wo Schnappt Shorty aufgehört hat, soll's mir recht sein. Nach der Lektüre von Get Shorty hatte ich kurzfristig erwogen, auch Kredithai zu werden wie die Hauptfigur beider Bücher, Chili Palmer. Jetzt ist Chili Fimproduzent, hat Probleme, die ich nicht habe, und steigt in die schöne Gattung des Musikfilms ein. Was nicht so ganz einfach ist, wenn einem gleich am Anfang ein kleinwüchsiger Revolvermann mit Haarteil zwischen den Beinen rumläuft. Und so ergeht sich Leonard wieder in seinen schnellen, intelligenten und boshaften Sprüchen über die Vorteile grösserer Geldmengen (so sieht übrigens das Cover der amerikanischen Originalausgabe aus - nach viel, viel Geld) und die Nachteile kleinwüchsiger Haarteilträger. Das ist politically überhaupt nicht correct - und soll es schliesslich auch nicht sein.

Eine schöne Eigenschaft, die Leonard mit Joe R. Landsdale teilt. Dessen schräges Duo Hap (weiss, hetero) und - gell ! - Leonard (schwarz, schwul) ist zwar säuberlich quotiert, aber ihre Sprüche und Taten sind alles andere als pc. Das wäre in Texas natürlich auch ein bisschen viel verlangt: Ranzbackigen und bösartigen Rednecks aller Arten kann man nun wirklich nicht mit dem herrschaftsfreien Diskurs kommen. Selbst Eichhörnchen sind dort ganz üble Biester und Gewalt gegen Tiere in diesem Fall absolut richtig und gut. Schlechtes Chili (schon wieder, s.o.) heisst dieses grandiose neue Buch (naja, es ist von '97) eines hochintelligenten Schriftstellers (Dumont Noir).

Hochintelligent ist auch ein Prädikat, das einem sofort bei Andrea Camilleri einfällt. Sein Commissario Montalbano ist ein mürrischer, verfressener und eigenbrötlerischer Gesell, der seine sehr eigenen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit hat und durchaus der Meinung ist, man dürfe sich die Pfötchen schon ein wenig schmutzig machen. Wenn man nur am Ende durchkommt. Das und seine merkwürdige Art von Humor hilft ihm auch wieder beim Fall des geheimnisvoll ums Leben gekommenen Spiessers im Fahrstuhl, der arg in Richtung Geheimdienstskandal deutet. Das kann aber Montalbano wenig erschüttern - schon eher kann das ein weitreichender privater Entschluss am Ende des Buches, das auf deutsch Der Dieb der süssen Dinge heisst und in der edition Lübbe erschienen ist.

Von Sizilien ist es übers Mare Nostrum nur ein kleiner Sprung nach Athen - und dort obwaltet nunmehr Kostas Charitos von der örtlichen Polizei. Hellas Channel (Diogenes) ist der Titel seines ersten Auftritts, den Petros Markaris erdacht hat. Zwar gehört das Buch schon eher in der Kategorie der Türstopper, aber die 462 Seiten erklären sich eher aus der Freude am epischen Ausziselieren von Figuren und Situationen, die allesamt auch nicht gerade als pc zu bezeichnen sind. Dabei lernt man aber eine Menge über Athen, über die griechische Boulevardpresse resp. das Krawallfernsehen und den Esprit de Corps einer Polizei, deren Ursprünge nicht unbedingt in linksliberalen Zeiten wurzeln. Ein starkes Debüt, mit einer Menge nicht sehr netter Leute, wozu auch Kostas Charitos zu rechnen ist. Aber wer sagt denn, dass ausgerechnet Kriminalliteratur von netten Leuten zu erzählen hat?

 

© Thomas Wörtche, 2000

 

« Leichenberg 03/2000 zurück zum Index Leichenberg 05/2000 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen