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Leichenberg 05/2000

 

Ein Rebus ist bekanntlich ein Bilderrätsel, und mit Rätseln hat es Detective Sergeant John Rebus aus und in Edinburgh beruflich zu tun, als er Verborgene Muster (Goldmann) erkennen muss. John Rebus selbst ist aber auch eine rätselhafte Figur: Hadernder Christ, traumatisiert durch seine SAS-Ausbildung, geschieden und durchaus nicht everbody's darling bei Kollegen und Vorgesetzten. Eine Romanfigur aus der guten Tradition des britischen Revival der Polizeiromane, das Mitte der 80er Jahre begonnen hatte und als realistisches und damit politisches Gegenprogramm gegen die Thatcher-Jahre und ihre pseudopsychologischen Merry-Old-England-Schmonzetten gemeint war. William McIlvanney ist der schottische Altmeister dieses Fachs, Ian Rankin, der Erfinder von Sgt. Rebus, der womöglich noch detailgenauere Porträtist großbritannischer Befindlichkeit. Die englische Parallelaktion ist John Harvey, um das Trio vollständig zu nennen. Verborgene Muster, Rebus' erster Auftritt aus dem Jahr 1987, leidet zwar noch ein wenig unter einem arg konstruierten Plot, trägt aber alle Vorzüge der Serie, die Rankin bis heute weiterschreibt, schon in sich: Eine profilierte, unprätentiöse Prosa, deutliche Kommentare zur politischen Lage der Nation, ohne ideologisch zu werden, einen genauen Blick für Orte und Menschen und Geschichte, einen sehr schottischen Humor und ein wunderbares Gefühl für "das Wetter des Helden". Endlich wird ein wichtiger schottischer Schriftsteller dem deutschen Lesevolk präsentiert.

Ein wichtiger amerikanischer Schriftsteller ist bekanntlich Ed McBain, dessen Romane um das 87. Polizeirevier seit den späten 50ern ein beeindruckendes, fast balzac'sches Panorama seiner Zeiten und Sitten liefert. Ausserdem hat McBain (auch unter seinen verschiedenen Pseudonymen) buchstäblich Hunderte von Romanen geschrieben, von denen kein einziger wirklich schlecht ist (manche sind nicht wirklich gut, aber das ist was anderes). Zu den qualitativ eher gemischten gehört Long Dark Night (Europa-Verlag), dessen Achilles-Ferse ein etwas zu neckisch-einlässlicher Umgang mit Sex ist. Die Stärken sind, wie immer in den 87th Precinct-Romanen, die schnellen Schnitte, die souveräne Handhabung des Irrwitzes von Zufall, Pech und Glück und die ausgekochten Cop-Dialoge. Dass Carella, Meyer Meyer & Co. nicht altern, ist ein schöner Kunstgriff und dass Fat Ollie Weeks, der Kryptofaschist, trotzdem ein guter Bulle ist, gehört zu den herben Ironien der Realität.

Völlig durchgeknallt ist, wie wir seit dem ersten Buch wissen, der begeisterte Drogen-User Matt Jacob, den sein Erfinder Zachary Klein in den cleanen 90ern auf die Strassen von Boston jagte. Hier, bei seinem zweiten Auftritt, Jenseits von Gut und Böse (Ullstein) gerät er zwischen die Fronten von jüdischen Militanten und weissen Ariern. Das ist alles so unappetitlich (und von Klein sehr engagiert angelegt), dass man Jacobs Griff zur nächsten Phiole gut verstehen kann. In Zeiten hysterischer Gesundheitsapostelei eine notwendige Erinnerung, dass auch Typen wie Himmler fanatische Saubermänner und Nichtraucher waren. Genussfeindlichkeit und Fanatismus gehören zusammen - das haut uns Zachary Klein immer wieder um die Ohren.

Am Ende, wie so oft, der Aufruf zur Besinnung: Auf die Klassiker nämlich. Gerade gibt es bei Diogenes drei Bände mit je drei Stories von Dashiell Hammett: Das grosse Umlegen, Das Haus in der Turk Street und Das Dingsbums Küken. Neun Geschichten von dem Schrifsteller, der aus einem Genre Literatur gemacht hat, obwohl er das vermutlich zunächst gar nicht wollte. Man soll über Hammetts Wichtigkeit und Stellung in der Literaturgeschichte sowieso am besten Dorothy Parker zitieren: "Ich finde, um Hammett wird viel zu wenig Geschrei gemacht."

 

© Thomas Wörtche, 2000

 

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