legal stuff Impressum Datenschutz kaliber .38 - krimis im internet

 

Leichenberg 11/2008

 

Hardcore Angel

Hardcore Angel von Christa Faust (Rotbuch) ist ein richtig schlechtes Buch, das letztendlich richtig klasse ist. Das geht so: Ex-Porno-Queen Angel Dare kommt mehr oder weniger zufällig üblen Gangstern in die Quere, die Frauen aus Osteuropa für die Sex-Industrie als Handelsware im Angebot haben. Angel Dares bürgerliche Existenz geht Stück für Stück in Trümmer, sie wird gefoltert, vergewaltigt und nur versehentlich nicht ermordet. Dann schlägt sie zurück. Gnadenlos und radikal. Das Ganze ist irgendwo zwischen "unfähig" und "genial" inszeniert, kein designter Edel-Trash, sondern Trash, der so trashig ist, dass er über sich hinauswächst und eine Ahnung von einer ganz und gar trostlosen Gesellschaft durchschimmern läßt. So naiv, dass selbst die Kalkulation des Naiven wiederum naiv wird. Und das ergibt letztendlich eine ziemlich unterhaltsame Geschichte aus Blut, Sperma und Pulverdampf, weit unterhalb jeder Kunstverdachtsgrenze.

Dazu passend ein kiloschweres, 335seitiges potentielles (= teures) Weihnachtsgeschenk - der Schau- und Prachtband True Crime Detective Magazines 1924 - 1969 von Eric Godtland, hrgs. von Dian Hanson (Taschen). Weit über 450 Covers und zusätzliches Material illustrieren die Geschichte einer schlüpfrigen und sehr reißerischen Presse-Tradition: Das Bedienen frauenfeindlicher, sexistischer, gewaltsatter Männerfantasien unter dem Deckmantel des "True Crime", also des ursprünglich aufklärerischen Gedankens über das Vergnügen an niederen Gegenständen. Kulturhistorisch oft eher abenteuerliche Texte von Eric Godtland und sehr scharfsinnige Kommentare von Dian Hanson (die selbst ein berühmter Porno-Star) war, machen das Buch zu einem optisch absolut opulenten Vergnügen der arg ironischen Art. Aber ganz toll!!!

Das Zeichen des Widders

Ganz toll blamiert hingegen hat sich der Aufbau Verlag. Denn Das Zeichen des Widders ist kein neuer Roman von Fred Vargas, den etwa ein Herr Edmond Baudoin nett illustriert hätte, wie der Umschlag und das Marketing verspricht. Das Zeichen des Widders hieß auf Französisch Les Quatre Fleuves (Die vier Flüsse) und ist ein Comic aus dem Jahre 2000 - eben von Vargas/Baudoin, wie man das korrekterweise zu notieren hat. Das Oberblamabelste aber ist, dass Aufbau mit dieser Aktion nicht nur Krimi- und Comicleser gleichermaßen für blöde erklärt, sondern damit ein wunderbares Projekt in ein schräges Licht rückt. Denn das Szenario von Vargas über einen Killer, der sein Serial-Killen mit ganz normalem Morden zu schützen sucht - hübsche Idee - bekommt mit den spannenden schwarz-weiß Bildern von Baudoin noch eine ganze Menge vergnüglicher Bedeutungsebenen mehr.

Ebenfalls sehr vergnüglich, weil klug und genau recherchiert (nur Capone schrieb sich m.W. nie Caponi) und sachkundig durchdacht und in stimmige Bilder umgesetzt: Cosa Nostra von David Chauvel/Erwan Le Saëc (Schreiber & Leser) - der erste Band einer Geschichte der namensgebenden Struktur als Comic. Und zwar nicht als dumpfe Baller- und Gewaltorgie, sondern schon in den Anfängen als Geschichte einer Geschäftsstruktur, die auf die Verwischung von Illegalität und Legalität angelegt ist. Analog dazu sind auch die Bilder von hoher Transparenz - und, wenn sie Porträts von New York City sind, fast von der Luzidität Bellotto/Canaletto`scher Veduten. Band II möge bald folgen, dann das ist alles sehr stark. Hoher Unterhaltungswert.

Killing Game

Den hat Charlies Hustons Killing Game (Heyne) zumindest am Anfang nicht. Das Buch ist ein "Standalone", gehört also nicht zu Hustons Vampir-Serie um Joe Pitt und auch nicht in den Umkreis der "Prügelknaben"-Trilogie. »Killing Game« ist zunächst eine formal etwas kühne Story über Jugendliche in einem nordkalifornischen Kaff in den 1980s und dann zunehmend eine Gewalt-Eskalationsstudie. Der leicht zähe Einstieg muß kein Hinderungsgrund sein, das Buch bis zum Ende zu lesen, der, gemessen an sonstigen Blutorgien, Menschenmass immerhin nicht verläßt. Ein ehrgeiziges Projekt von Huston, aber letztendlich doch zu leichtgewichtig, weil formal nur spielmatzig. An die "Clockers" von Richard Price oder ähnliche Kaliber reicht es dann doch nicht heran.

Klasse hingegen der Nachtkrater von Christine Lehmann (Ariadne). Klar, wenn alle Regionalismen schon mit Grimmis und anderem Unfug besetzt, ja okkupiert sind, bleibt für Lehmanns Heldin Lisa Nerz eigentlich nur der Mond. The Dark Side of the ... natürlich - und also ermittelt sie eben dort. Science Fiction? Ach was. Oder: Na und, ein Kriminalroman halt, der auf dem Mond spielt. Und nebenbei sehr irdisch Unschönes aus Technologie und Wahnsinn mitverhandelt. Extra spannend zudem, weil diesmal der Lover von Lisa Nerz ... Neee, bitte selber lesen!

 

© Thomas Wörtche, 2008

 

« Leichenberg 10/2008       Index       Leichenberg 12/2008 »

 

Thomas Wörtche Neuerscheinungen Vorschau Krimi-Navigator Hörbücher Krimi-Auslese
Features Preisträger Autoren-Infos Asservatenkammer Forum Registrieren Links & Adressen