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Leichenberg 02/2005

 

Kanguroad Movie In Zeiten, in denen es so etwas wie »Ideologiekritik« noch gab, kam hin und wieder die Frage auf: Kann es gute Kriminalliteratur »von rechts« geben? Diese Frage implizierte natürlich die Überzeugung, dass Kriminalliteratur stets »von links« zu kommen habe und möglicherweise a priori gut sei, wenn nur links genug. Das ist natürlich Humbug, zumal mit den Standorten »links« und »rechts« eher gewisse Gefühligkeiten gemeint waren, denn harte Positionen. Ein Störenfried bei solch säuberlich binarisierenden Diskussionen war schon immer Alain Fournier alias A.D.G., ein Wortführer der französischen Rechten, dennoch Autor in Gallimards Série noir, aus der rausflog als er allzu unappetitlich mit Le Pen knutschte. Seine miese Gesinnung - rassistisch bis zum Anschlag - verpackte er in nicht unbedingt miese Prosa. Dann hielt er als Autor von romans noirs 15 Jahre lang den Mund und legte 2003 noch einmal ein letztes Werk vor, bevor er im letzten November starb: Kanguroad Movie (Zebu Verlag). Und siehe, der Mensch scheint lernfähig zu sein. Denn »Kanguroad Movie« ist ein wohlgelungener, handfester, fröhlicher Abenteuer-Roman aus Australien der mit schönen action-Szenen, sehr viel begeistert geschilderter Natur, Tempo und großer kitschfreier Sympathie für die Aborigenes aufwartet. Selbst der Outback-Muchomacho ist in relativ erträglichen, weil oft ironisch Dosen vorhanden. Und das Schönste: Eine zierlich höfliche Verbeugung vor seinem sozusagen natürlichen Feind aus alten Zeiten, Jean-Patrick Manchette, und eine ganz deutliche Hommage an den großen Arthur W. Upfield hat A.D.G. auch eingebaut. Das hat Stil und ist völlig okay.

Das Quadrat der Rache Brügge, Brugge La Morte, war schon immer die Lieblingsstadt der von leichter Décadence angehauchte Symbolisten und deren ätherischen Anhängern. Der Belgier Pieter Aspe setzt mit seinem Kommissar Pieter Van In einen eher grobianistischen Bullen gegen solch zarte Morbidezza. In Das Quadrat der Rache (Fischer TB) muss er eine komplizierte Rachegeschichte aufklären, die eine reiche, alteingesessene Familie zu vernichten droht. Kostbares Geschmeide und Devianz spielen zwar auch da eine Rolle, als ob das Fin de siècle noch immer nachwirke, aber peu à peu rückt das Belgien der 90er Jahre ins Blickfeld: Korruption,Klüngelei, politische Ränkespiele, wie wir es eben kennen. Van In pflügt nicht unwitzig, stur, aber eben auch mit gehörigem Taktieren durch eine etwas künstliche Handlung, was dem Lesevergnügen keinen Abbruch tut. Die giftige Radikalität eines Jef Geeraerts erreicht Aspe nicht, obwohl er deutlich auf den Spuren des Großmeisters wandelt. Aber das geht angesichts der belgischen Realitäten vielleicht gar nicht anders.

Refugium Schleierhaft werden mir vermutlich immer Bücher bleiben, in denen Kriminalpyschologen, Psychiater und -innen oder andere Angehörige ähnlicher Berufe in den Seelen von Mördern rumpütschern, sich dann in die Herrschaften verlieben und allerlei Tragödien lostreten. Haben die Leute keine professionelle Distanz? Und heraus kommen dann meistens ellenlange Romane, die ums Böse, die Faszination am selben und ähnlich papierene Gebilde kreisen. Auch Denise Minas Refugium (Knaur) gehört zu diesem Typus, der bloß auf pseudo-gepflegtem Niveau langweilt.

Eine Sünde, die Ridley Pearson nie begeht. Zwar ist Die letzte Lüge (Bastei) sicher nicht sein allerstärkstes Werk, aber die Jagd auf einen benevolenten Eisenbahn-Saboteur erfreut mit überraschenden Twists und dem intelligenten Ausschöpfen der Möglichkeiten, die unsere ganz normale Alltagstechnik heutzutage bietet. Solides Handwerk, das auch nicht mehr sein will.

Zum Schluß noch der Klassiker des Monats: Der Schein trügt von Rex Stout (Goldmann). Nero Wolfe und Archie Goodwin sezieren einen Clan reicher Leute, und wie sie das tun, ist wirklich so gekonnt und im besten Sinn gepflegt, dass es keine Sekunde langweilt, auch wenn das Buch schon 35 Jahre alt ist.

 

© Thomas Wörtche, 2005

 

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